Missbrauch:
Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche kann in zahlreichen sehr unterschiedlichen Formen auftreten. Das gemeinsame Ansehen von pornographischen Darstellungen ist hier ebenso zu nennen wie Exhibitionismus, das Berühren von Geschlechtsteilen, Kinderpornographie, Kinderprostitution und die Vergewaltigung von Kindern.
Unterschiedlich sind auch die Auswirkungen sexueller Gewalt auf das Opfer und seine Familie. Sexueller Missbrauch fügt den betroffenen Kindern und Jugendlichen meist tiefgehende seelische Verletzungen zu. Oft leiden die Opfer ein Leben lang an den Folgen, vor allem, wenn die Gewalt im sozialen Nahraum oder sogar in der eigenen Familie über längere Zeit ausgeübt wird.
Signale erkennen:
Negative Veränderungen im Verhalten eines Kindes sind stets ein Zeichen dafür, dass das Kind Belastungen ausgesetzt ist, mit denen es schwer umzugehen weiß. Alle Bezugspersonen, insbesondere Eltern, Kindergartenfachkräfte, Lehrkräfte sowie Verwandte und Nachbarn sind deshalb gefordert, diese Verhaltensauffälligkeiten unbedingt ernst zu nehmen und näher zu beobachten. Natürlich weisen diese nicht zwangsläufig auf sexuellen Missbrauch hin. Es gibt keine eindeutigen Symptome für sexuellen Missbrauch.
Es könnte aber sein, das eine erlebte sexuelle Gewalttat der Grund für körperliche Verletzungen oder Verhaltensauffälligkeiten eines Kindes ist. Auch eine früher nicht gekannte Scheu oder Ängstlichkeit (z.B. Scheu, sich sich zum Sportunterricht umzuziehen, Zurückweichen vor Berührungen, Angst vor bestimmten Personentypen) kann ein Anzeichen sein. Selbst wenn solche Anzeichen gehäuft auftreten, können sie jedoch nicht zweifelsfrei auf einen sexuellen Missbrauch zurückgeführt werden.
Die genaue Beobachtung von Auffälligkeiten und die Zuwendung zum Kind birgt jedoch die Chance, dass das Kind Vertrauen zu Ihnen aufbaut und sich Ihnen mitteilt. Dies ist auch dann wichtig, wenn die genannten Verhaltensauffälligkeiten ganz andere Ursachen als einen sexuellen Missbrauch haben. Keinesfalls dürfen sie einem Kind einreden, dass es missbraucht worden ist.
Dem Verdacht nachgehen:
Die meisten Menschen sind bei einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch eines Kindes zunächst schockiert, entsetzt und vor allem auch bezüglich ihres weiteren Verhaltens verunsichert. Dies ist eine absolut verständliche Reaktion. Sie sollte jedoch nicht dazu führen, dass Sie überhaupt nichts unternehmen, sei es aus Angst vor möglichen Folgen einer Handlung oder weil Sie sich selbst nicht dafür verantwortlich fühlen.
Umgekehrt sollten Sie aber auf keinen Fall wahllos Aktivitäten entfalten, deren Auswirkungen Sie, das Kind und andere Betroffene nicht abschätzen können. Bei einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch sollte jeder Schritt genauestens überdacht sein.
Das Wichtigste ist, bei Anzeichen eines Verdachts auf sexuellen Missbrauchs Ruhe zu bewahren und sich über Beobachtungen Aufzeichnungen zu machen. Es kann sein, dass Ihnen dabei Auffälligkeiten aus der Vergangenheit bewusst werden, die bei Ihrem damaligen Auftreten anders bewertet wurden. Dann sollten Sie in Ruhe überlegen, an welche Stelle Sie sich wenden wollen, um den Verdacht mit professioneller Hilfe abzuklären und für das Kind rasche, fachlich geeignete Hilfe sicherzustellen.
Wie kann dem sexuellen Missbrauch vorgebeugt werden?
Da sexuelle Gewalt ganz überwiegend im sozialen Nahraum der Kinder stattfindet, muss auch das Aufklärungsziel von Eltern, Lehrkräften und anderen Personen aus dem Umfeld der Kinder sein, Kinder nicht nur vor fremden Tätern zu warnen, sondern mit ihnen auch über die Möglichkeit eines sexuellen Übergriffs durch nahestehende Personen zu sprechen. Prävention von sexuellen Missbrauch bedeutet nicht notwendigerweise, dass die Thematik mit Kindern besprochen und diskutiert wird. Dies wird insbesondere bei kleineren Kindern nicht immer möglich sein. Kinder können aber durch allgemeine Erziehungsziele und eine altersgerechte Sexualerziehung dazu befähigt werden sich selbst zu schützen.
Stärkung des Selbstwertgefühls.
Kinder müssen im Alltag lernen können, dass ihre Gefühle ernst genommen werden und sie bei Problemen das Recht haben über ihre Schwierigkeiten zu sprechen und um Hilfe zu bitten. Erwachsene können dazu beitragen, die Stärken von Kindern aufzubauen und ihre Unabhängigkeit zu fördern. Nehmen sie den Willen und die Gefühle von Kindern ernst, schaffen sie Vertrauen und behandeln sie Kinder als vollwertige Menschen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass bereits diese Verhaltensweisen zur Prävention sexueller Gewalt beitragen können.
Regeln für Eltern:
*Stärken Sie den Mut des Kindes, über den Mißbrauch zu sprechen.
*Glauben Sie dem Kind.
*Vermitteln Sie dem Kind Geborgenheit und zeigen Sie ihm, daß Sie vorbehaltlos hinter ihm stehen.
*Lassen Sie dem Kind Zeit und respektieren Sie seinen eventuellen Wunsch nach körperlicher Distanz und Ruhe.
*Machen Sie dem Kind keine Vorwürfe.
*Reagieren Sie besonnen. Besprechen Sie mit dem Kind die möglichen weiteren Schritte und Konsequenzen. Scheuen Sie sich nicht, sich mit dem Kind an eine der nachstehenden Beratungsstellen zu wenden.
*Vermeiden Sie, daß der Täter davon erfährt, bevor der Schutz des Kindes gewährleistet ist.
Regeln für Kinder:
*Wenn ich das Haus verlasse, sage ich meinen Eltern immer, mit wem ich unterwegs bin und wohin ich gehe.
*Ich spreche niemals mit Fremden und werde mich niemals überreden lassen, irgendwo hinzugehen mit jemanden, den meine Eltern nicht kennen.
*Ich werde zu jedem NEIN sagen, auch zu einem Erwachsenen, wenn er versucht, mich in einer Art und Weise zu berühren, die ich nicht mag.
*Ich werde schnell weglaufen von jemandem, der versucht mich zu berühren oder mitzunehmen. Ich werde schreien: Das ist nicht mein Papa oder meine Mama und Helft mir.
*Ich werde meinen Eltern erzählen, wenn jemand versucht, mich in einer Art und Weise zu berühren, die ich nicht mag.
*Ich brauche vor meinen Eltern keine Geheimnisse zu haben; ich werde ihnen von Dingen oder Leuten erzählen, die mir Angst machen.
*Meine Eltern lieben mich, sie werden mir zuhören und mir helfen, wenn ich verstört bin.
*Wenn jemand versucht mich zu berühren oder mich bedroht, dann ist das Wichtigste: Nein sagen! Weglaufen! Es jemandem erzählen!
Zahlen:
Auf Bundesebene wurden 1999 insgesamt 19.436 Kinder Opfer des sexuellen Missbrauchs i.S.d. §§ 176, 176a und 176b StGB.
Von den 19.436 Opfern waren
2.090 mit dem Tatverdächtigen verwandt,
4.749 bekannt,
bei 1.420 Opfern bestand eine flüchtige Vorbeziehung und
bei 9.368 keine Vorbeziehung.
Die Anzahl der angezeigten und in der PKS ausgewiesenen Fälle des sexuellen Missbrauchs ist bezüglich des tatsächlichen Ausmaßes nur begrenzt aussagefähig, da gerade in diesem Deliktsbereich die Dunkelziffer hoch eingeschätzt werden muss. Das kindliche Opfer hat oftmals - bedingt durch die nahe Beziehung zum Täter - nicht die Möglichkeit, auf den Missbrauch aufmerksam zu machen bzw. sich dem Missbrauch zu entziehen.
Bundesland Berlin:
Exemplarisch seien hier einige Zahlen für das Bundesland Berlin vorgestellt. Diese Zahlen geben zumindest einen guten Anhaltspunkt für die Verhältnisse in der gesamten BRD. Wenn auch die Verhältnisse in einer Großstadt mit denen in ländlichen Gebieten nur bedingt zu vergleichen sind.
Im Jahre 1998 wurden bei der Berliner Polizei insgesamt 1 037 Vorgänge des sexuellen Missbrauchs von Kindern bearbeitet und an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Bei diesen 1037 Straftaten gab es insgesamt 1 714 Opfer, von diesen Opfern waren 397 Jungen und 1 317 Mädchen. In rund 60 % der Fälle bestand keine Vorbeziehung zwischen Täter und Opfer. Dieser hohe Anteil erklärt sich unter anderem dadurch, dass es sich in ca. 50 % der Fälle um exhibitionistische Handlungen vor Kindern handelte. Zu diesen 1 037 Straftaten müssen noch weitere 142 Taten gezählt werden, bei denen es sich um den sexuellen Missbrauch von schutzbefohlenen Kindern handelt.
Je enger die familiäre Bindung zwischen Opfer und Täter ist, desto größer ist die Scheu, derartige Taten zur Anzeige zu bringen. Oft werden die Kinder durch Druck wie: Willst Du, dass der Pappi ins Gefängnis kommt? oder Willst Du, dass sich die Mama umbringt? zum Schweigen gebracht. Sehr häufig auch wird dem Kind eingeredet, ein ganz wichtiges Geheimnis zu teilen, das niemanden offenbart werden darf. Auch Schuldgefühle oder nicht materielle wie materielle Zuwendungen können die Kinder von einer Aussage abhalten. Meist werden die Täter aus der familiären Umwelt erst sehr viel später angezeigt, z.B. wenn die Mädchen aus dem Haus oder erwachsen sind. Die Dunkelziffer wird auf mindestens 1 : 20 geschätzt. Das würde bedeuten, dass 20 mal mehr Kinder Opfer von sexueller Gewalt werden, als in der polizeilichen Statistik bekannt wird.
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung:
Polizeiliche Kriminalstatistik 1999
Entgegen dem hessischen Trend nahmen die registrierten Sexualstraftaten um 34 auf 147 Fälle ab (-18,8 %, AQ 59,2 % = -7,1%-Punkte).
Der Rückgang der insgesamt registrierten Sexualstraftaten ist auch in den Deliktsgruppen Vergewaltigung und sexuelle Nötigungen ( -9 auf 13 Delikte =-40,9%-Punkte, AQ 61,5 %), sexueller Missbrauch von Kindern (-33 auf 20 Delikte = -62,3 %, AQ 85 %) und exhibitionistische Handlungen (-2 auf 42 Delikte =-4,5 %, AQ 35,7 %) festzustellen.
Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch von Kindern sind zu einem erheblichen Teil Beziehungsdelikte (Täter und Opfer sind verwandt oder bekannt bzw. unterhielten sonst Kontakte vor der Tat). Hier ist von einem hohen Dunkelfeld auszugehen. Der deutliche Rückgang der registrierten Fälle dürfte durch das mittlerweile große Angebot von verschiedenen Hilfsorganisationen für Opfer zu erklären sein. In diesem Zusammenhang sehen Geschädigte häufig von einer Anzeigeerstattung ab. Dennoch gilt zu beachten, dass Polizei und Justiz in den vergangenen Jahren ihre Bemühungen intensiviert haben, die Folgen solcher Straftaten im Rahmen der Ermittlungen zu minimieren, um eine sogenannte Sekundärviktimisierung zu vermeiden. Ebenso gilt es zu bedenken, dass Straftaten, die nicht angezeigt werden, dazu führen können, dass infolge fehlender Aufklärungs- und Fahndungsmaßnahmen ggf. weitere Personen Opfer von Wiederholungstätern werden können. Deshalb erscheint es trotz aller Hilfsangebote sinnvoll, auch bei solchen persönlich schwer treffenden Straftaten Anzeige bei der Polizei zu erstatten.
Bayern:
Über das tatsächliche Ausmaß des sexuellen Missbrauchs von Jungen und Mädchen gibt es keine gesicherten Zahlen. In Bayern wurden im Jahr 2000 der sexuelle Missbrauch von 2800 Kindern unter 14 Jahren angezeigt ( bei 23,1 % der Opfer handelte es sich um Exhibitionismus). Von den Opfern waren 2081 (74,3 %) Mädchen. Täter sind bei Mädchen wie Jungen fast ausschließlich Männer. 763 Kindern war der Täter bekannt. Bei 387 Kindern war der Täter ein Verwandter. Das Dunkelfeld dürfte gegenüber diesen Zahlen um ein Vielfaches höher sein. Schätzungen gehen vom Drei- bis Zehnfachen der angezeigten Fälle aus.
Beratungsstellen:
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Allerleihrauh e.V. Beratung bei sexuellem Mißbrauch • Prävention ... |
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AMYNA - zur Abschaffung von sexuellem Missbrauch und
sexueller Gewalt e.V. |
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Bundesverein zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Mädchen und
Jungen e.V. |
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Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. |
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Dunkelziffer e.V. - Hilfe für sexuell Missbrauchte Kinder |
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Gegen-Missbrauch e V. - gegen sexuellen Kindesmissbrauch |
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MUMM e.V. - gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen |
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Pfiffigunde. e.V. |
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Schattenriss - Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch
an Mädchen e.V. |
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Schotterblume e.V. - Kontakt- und Informationsstelle für Opfer von seelischer, körperlicher und sexueller Gewalt in der Kindheit und Partnerschaft |
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Wildwasser e.V. Verein gegen sexuelle Gewalt
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Telefonnummern:
TelefonSeelsorge in Deutschland
Telefonisch erreichbar unter:
0800-111 0 111 oder über 0800-111 0 222
(bundesweit, 24h/Tag, anonym, vertraulich, gebührenfrei)
Das Elterntelefon
Telefonisch erreichbar unter:
0800 - 111 0 550
Montag und Mittwoch von 9 bis 11 Uhr und
Dienstag und Donnerstag von 17 bis 19 Uhr
Die Anrufe am Elterntelefon sind gebührenfrei.
Kinder- und Jugendtelefone
Telefonisch erreichbar unter:
0800 - 111 0 333
Montag bis Freitag von 15.00 - 19.00 Uhr
Die Anrufe sind gebührenfrei.
N.I.N.A.
(Nationale Infoline und Anlaufstelle zu sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen)
Telefonisch erreichbar unter:
01805-123465
Montag von 9.00 bis 13.00 Uhr
Dienstag und Donnerstag von 13.00 bis 17.00 Uhr